Das Leistungsverzeichnis präsentiert sich als eine Parade aufgestellter Positionen. Scheinbar beliebig austauschbar. In Reih und Glied stehen sie trügerisch geordnet mit Menge, Text und Preis. Tatsächlich sind die Positionen aber vernetzt. Beauftragt wird ein verknüpftes Geflecht von Einzelleistungen. Eine nachträgliche Änderung zieht eine Reihe anderer Änderungen nach sich. Mit der Schlussrechnung kommt dann das dicke Ende. Im Konglomerat von gekündigten, geänderten und zusätzlichen Leistungen kombiniert mit Minder- und Mehrmengen verliert man schnell den Überblick.
Möglichkeiten dafür gibt es zahlreiche, wie folgendes Beispiel Pflanzen zeigen soll:
Beauftragt werden 100 Linden.
Dann die Leistungsänderung: 50 Linden und 50 Ahorn!
Man könnte aus einer Leistungsänderung auch drei gesonderte Nachträge entfalten:
- Teilkündigung: 50 Linden,
- Mindermenge: 50 Linden,
- Zusätzliche Leistung: 50 Ahorn.
Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. So entstehen Nachtragspositionen ohne Ende. Und die Prüfungspflicht liegt beim Auftraggeber bzw. dessen Erfüllungsgehilfen. Ein immenser Aufwand. Gepaart mit hohem Risiko. Inklusive Haftungsproblem des Prüfenden.
Des Pudels Kern bei den Nachträgen ist die Über- oder Unterdeckung. Deckung kommt von Deckungsbeitrag (DB). Dieser kaufmännische Begriff beinhaltet Wagnis und Gewinn (W&G) sowie die Gemeinkosten in Form von Baustellengemeinkosten (BGK) und Allgemeinen Geschäftskosten (AGK). Oder: DB = AES – EKT, Angebotsendsumme (AES) abzüglich der Einzelkosten der Teilleistungen (EKT).
Jeder Bauherr schaut zuerst auf die Angebotssumme. Dann sieht er sich die saldierten Gesamtbeträge von Mengen und Einheitspreisen an. Preisspiegel über die LV-Positionen der Bieter werden ausgewertet. Hunderte Zahlen verglichen. Die LV-Parade wird körperlich abgenommen. Detailorientiert. Akribisch. Methodisch. Aber die Seele des Angebotes erblickt er damit nicht.
Die Angebotsmedaille hat zwei Seiten: Einheitspreise und EFB - Preisangaben. Zahl und Wappen. Und das Wappen hat es in sich. Aus EFB-Preis 1a/b kann man viel herauslesen. Offenbart in einem EFB-Preisspiegel. Das Mindeste wäre der Vergleich der AES in seiner Struktur von EKT und DB ausgewählter Bieter. Keine Hundert Preise, sondern nur zwei Zahlen des Angebotes. Die Angaben liegen offen und eine Gegenüberstellung kann die Augen öffnen. Wenn z.B. der eine Bieter 20 % DB und der andere 50 % DB ausweist. Das ist wie mit der Spurenlese im Urwald. Stadtmenschen sehen nichts, Indianer alles.
Der DB ist wichtig. Beauftragte Bieter rechnen daraus ihre Nachträge. Möglichst alle Nachträge einzeln nach VOB/B §2 aufgelistet. So können gewaltige Vergütungsansprüche für sich nachgewiesen werden. Und hier setzt die Ausgleichsberechnung ein. Denn: Teilkündigungen und Mindermengen führen zu Unterdeckungen - Mehrmengen und zusätzliche Leistungen zu Überdeckungen. Im Saldo sind sie auszugleichen. Damit schmelzen die einzelnen Nachtragsforderungen ab. Nachträge können sich durch Überdeckungen in Luft auflösen. Die Ausgleichsberechnung kann Auftraggeber oder Auftragnehmer angenehm oder unangenehm überraschen.
Das Vergabehandbuch nennt zwei Formen der Ausgleichsberechnung. Sie sind im Leitfaden zur Vergütung bei Nachträgen in Beispielrechnungen dargestellt:
- Indirekte Methode bei überschlägiger DB-Berechnung a.B. der Leistungsdifferenzen
- Direkte Methode auf der Grundlage der Gemeinkostenzuschläge (BGK, AGK, W&G)
Bei beiden Verfahren ist ein kalkulatorisches Grundverständnis zu den EFB-Preisangaben erforderlich. Vielen noch ein Buch mit sieben Siegeln. Immer wieder bin ich gefragt worden, wie man einfach die betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge verdeutlichen kann. Deshalb möchte ich im nächsten Blog meinen EFB-Preisspiegel vorstellen und zeigen, wie elementar komplizierte Sachverhalte sein können.
In alter Frische!