Kalkulationsrisiko: Entgangener Gewinn oder tatsächlicher Verlust?

Kalkulationsrisiko: Entgangener Gewinn oder tatsächlicher Verlust?
Schiller-Blog - Der Schillernde Blick auf die Baubranche

Kalkulationsrisiko: Entgangener Gewinn oder tatsächlicher Verlust?

01.04.2022
Bei der Ausführung von Bauleistungen gibt es eine Vielzahl von Risiken, die durch Auftrags-, Standort- oder Witterungsabhängigkeit bedingt sind. Kalkulatorisch gibt es dafür Zuschläge für Wagnis & Gewinn, die bei negativen Umständen den Gewinn abschmelzen. Aktuell erleben wir aber gravierende Unsicherheiten, die durch mittlere Zuschüssen für Wagnisse laut EFB 221/222 nicht mehr beherrschbar sind. Preisschwankungen von 5 bis 50% beim Material, Lieferengpässe und Fachkräftemangel sind derartige reale Verlustgefahren.
Allein zu Jahresbeginn sind die „Erzeugerpreise gewerblicher Produkte im Mittel um 25 Prozent gestiegen“. Da die teure Energie der Haupttreiber ist, steigen nicht nur die Stoffkosten, sondern z. B. auch die Transport- und Gerätekosten. Diese Risiken sind ein Problem des Auftragsnehmers. Hier hilft kein Schweigen im Vertrauen auf die kalkulierten Wagniszuschläge und das Baugeschehen. Hilfreich ist eine aktive Kommunikation mit dem Auftraggeber. Das Ziel ist, fragliche Kalkulationsumstände vertraglich zu regeln.
Dies ist bei Neuverträgen und Bestandsverträgen andersartig in der Angebots-, Vertrags- und Nachtragskalkulation anzuwenden. Letztlich geht es um die Vergütung von vertraglichen Leistungen. Dafür ist das Kalkulationsrisiko abzusichern. Für neue Verträge gibt es mehrere Vorsorgeoptionen. Bestehende Verträge kann man nachverhandeln und Vergütungen sind über Nachträge kalkulierbar. Hierbei sind die tatsächlichen Kosten „das Zünglein an der Waage“, wie dies im BGB § 650c und der VOB/B § 2 vergleichsweise dargelegt wird.
Bei privaten Baumaßnahmen kann das Risiko in der Angebots- und Vertragskalkulation durch ein Angebot mit einen offenen Preisanteil Material geteilt werden. Besteller und Lieferant vereinbaren die Abrechnung des Materials mit „Tagespreisen“ auf Nachweis.
Für echte, d. h. verbindliche Angebote bei Neuverträgen ist es dagegen rechtschaffen, die Geltungsdauer der Preise schriftlich festzulegen. Die verbindlichen Preise gelten nur bis zum Tag X. Sei es im Rahmen einer Angebotsbindefrist oder in der Ausführung für die vertraglich festgelegte Bauzeit. Auch können Zahlungspläne für die frühzeitige Bestellung von Material das Risiko für Kalkulation und Lieferung mindern oder der Bauherr bestellt selbst.
Da die Baustoffpreise differenziert steigen, kann man auftragsspezifisch z. B. über die ABC-Analyse die intensiven Einzelkosten „Materialpreise frei Baustelle“ nuanciert vorkalkulieren. Für drastisch steigende Erzeugerpreise lassen sich Preisanpassungsklauseln vereinbaren, wie z. B. die Stoffpreisgleitklausel nach Formblatt 225 im VHB-Bund. Prinzipiell sind solche Klauseln direkt oder indirekt vereinbar. Auf Basis der Urkalkulation sind Preissteigerungen direkt beleg- und nachweisbar, aber man muss konkret die Kalkulation offenlegen. Dagegen ist der indirekte Vergleich zum Baupreisindex bequem, aber durch die Mittelwerte spekulativ.
Bei Bestandsverträgen ist das Risiko unkalkulierbarer, wenn nichts geregelt ist. Dann wären „schwerwiegende Veränderungen“ nachzuweisen, um Mehrkosten an den Auftraggeber weiterreichen zu können. Ansonsten sind Vergütungsanpassungen über Nachträge auf der Basis der tatsächlichen Kosten zu kalkulieren. Dies betrifft bei gestiegenen Einzelkosten die zusätzlichen und geänderten Leistungen, aber auch die Mehrmengen. Bisher wurden bei Mengenmehrungen ab 111% die Einheitspreise billiger, nunmehr werden sie teurer.
„Psychologisch empfinden die Menschen Verluste intensiver als Gewinne.“ So ist die aktuelle Lage mit den in keiner Weise vorhersehbaren Preisentwicklungen und Lieferbeschränkungen eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ (vgl. § 313 BGB). Daher sollte man gemeinsam über das Kalkulationsrisiko reden, wobei eine hälftige Teilung der Mehrkosten eine Lösung wäre.
In alter Frische
Ihr Klaus Schiller

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