Kalkulatorische Wirkungen der Baustoffengpässe und -preisänderungen
01.06.2021
Baustoffe sind Produkte, die aus Rohstoffen hergestellt und über Bauleistungen in Bauteilen von Bauwerken verarbeitet werden. Diese Wertschöpfungsketten offenbaren das fragile Netzwerk von Lieferengpässen und die kalkulatorischen Verflechtungen. Die Stoffe bzw. das Material sind ein folgenreicher Produktionsfaktor beim Bauen. Fehlendes Material ist eine Baubehinderung und verlängert die Bauzeiten. Verbunden mit überraschend starken Preiserhöhungen steigt das Kalkulationsrisiko für Bauherren und Bauausführende enorm. Seit März 2021 erleben wir eine längst vergessen geglaubte Knappheit der Baustoffe, die mit der Corona-Pandemie wieder auftauchte. In unserer global vernetzten Wirtschaft gibt es aber dafür viele Ursachen. Es ist eine Art „kaufmännische Superposition“, die zeigt, dass bei zufälligen Ereignissen Optimierungen fragiler werden. Zuweilen hilft bei Baustoffmangel die Lagerwirtschaft. Bei unabsehbaren Lieferengpässen, welche den Bauablauf behindern, sollte dem Bauherrn entsprechend VOB/B angezeigt werden, dass dies für den Bauunternehmer ein unabwendbarer Umstand bzw. höhere Gewalt ist. Das Problem mit den Lieferschwierigkeiten wird sich wahrscheinlich im Laufe des Jahres wieder abmindern bzw. einpendeln. Es ist zu erwarten, dass die stationär wegen Corona heruntergefahrenen Produktions- und Transportkapazitäten wieder Fahrt aufnehmen. Problematisch sind die steigenden Baustoffpreise in Verbindung mit den Ausschreibungen, Kalkulationen, Angeboten und Bauverträgen. Hierzu sind abhängig von der konkreten Baumaßnahme differenzierte Betrachtungen hinsichtlich Bauherrn und Bauzeit erforderlich. Bei öffentlichen Baumaßnahmen gibt es strikte Regeln. Hier wäre zu unterscheiden, ob sich die Baumaßnahme bereits in der Ausführung oder erst in der Angebotsphase befindet. Für drastisch steigende Baustoffpreise bietet sich das Instrument der Stoffpreisgleitklausel nach Formblatt 225 im VHB-Bund an. Da aber „Preisgleitklauseln inflationsfördernd wirken können“ und in der VOB das Festpreisprinzip gilt, sind Stoffpreisgleitklauseln nur für bestimmte Baustoffe, Zeiträume und Bagatellgrenzen nach Ministererlass anzuwenden. Für die jetzige Situation wurde am 21.5.2021 vom Bundeshochbauamt der erforderliche Erlass „Lieferengpässe und Stoffpreisänderungen diverser Baustoffe“ getroffen. Bei privaten Baumaßnahmen kann der Handwerker vor der Vertragsabwicklung dem Kunden die Situation darlegen und eine Zusatzvereinbarung treffen. So könnte er Regelungen zur Kalkulation mit „Tagespreisen“ auf Nachweis treffen. Der Bauherr kann das Material selbst bestellen und bezahlen. Ein „freibleibendes Angebot“ in der Art eines Vorschlages mit kurzer Bindefrist wäre denkbar. Einvernehmlich wäre auch eine Nachverhandlung zwischen den Partnern zu den Materialpreisen möglich. Hierbei würde man das Kalkulationsrisiko teilen. Bei Baumaßnahmen wächst das kalkulatorische Risiko wegen unerwartet stark steigenden Baustoffpreisen mit der Bauzeit. Dieses Wagnis kann langfristig nur über eine zusätzlich zu vereinbarende Preisgleitklausel oder über Kostenreserven in den Stoff- bzw. Materialkosten oder Zuschlägen im Angebot abgesichert werden. Da sich die Preise in den Produktgruppen sehr verschieden entwickeln, wirken sich diese auf die Baupreise der Leistungspositionen unterschiedlich aus und sind damit differenziert zu kalkulieren. Zur Orientierung und Minderung des Kalkulationsrisikos bieten daher die DBD-Baupreise eine Aufgliederung in die Preisanteile Löhne, Stoffe, Geräte und Sonstiges. Der Preisanteil Stoffe flattert differenziert, wobei die Indizes der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte in der Genesis-Online Datenbank eine Hilfe für diverse Entwicklungstrends bieten. Kalkulieren heißt Annahmen treffen. Pauschal wird für 2021 ein Baupreisanstieg von ca. 2 % erwartet. In alter Frische
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Die grafische Baukalkulation hat eine große Zukunft - daran glaubt Klaus Schiller seit 20 Jahren. Er will aus Bildern Kostenberechnungen machen. Interview in bi BauMagazin
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