Niedrigpreisangebot und Spekulationspreise - Kampfpreis oder Mischkalkulation?

Niedrigpreisangebot und Spekulationspreise - Kampfpreis oder Mischkalkulation?
Schiller-Blog - Der Schillernde Blick auf die Baubranche

Niedrigpreisangebot und Spekulationspreise - Kampfpreis oder Mischkalkulation?

20.08.2007
Erst kalkulieren, dann spekulieren. Spekulation (von lat. speculari: spähen, beobachten) ist wohlüberlegtes Handeln mit Chancen und Risiken. Im Gegensatz zu "Zocken" oder "Wetten" ohne Kostenkenntnis. Auch die am Bau Beteiligten beobachten den Markt. Baupreise sind Marktpreise. Geprägt durch die Kosten und der Marktanpassung. Und derzeit gehen die Baupreise nach oben.
Spekulieren an sich ist nicht verboten. Durch frühzeitiges Erkennen will man finanzielle Vorteile durch künftige Realisierung erzielen. Deshalb ist Wirtschaft auch Psychologie. Die Spekulation mit der Angebotssumme ist z.B. eine marktstrategische Preisfindung. Durch Verzicht auf Deckungsbeiträge kalkuliert man über die Endsumme Kampfpreise. Dies ist zulässig und kann wettbewerblich begründet sein, um einen Marktzugang oder eine Kapazitätsauslastung zu erreichen.
Auch Mischkalkulation ist als Verfahren der Handelskalkulation zwischen Produkten üblich. Dagegen ist die Spekulation mit Einheitspreisen durch Mischkalkulationen innerhalb eines LV unzulässig. Diese Spekulationspreise führen oft zu abartigen Einheitspreisen. Positionen werden zum Verschiebebahnhof von Kostenanteilen. Teilleistungen werden auf- und abgepreist. Wo und wie die Gemeinkosten kalkuliert wurden, bleibt unklar. Cent-Preise wie 0,01 €/m2, sind dabei ein Anzeichen von Mischkalkulationen. Spekuliert wird in den Positionen der Teilleistungen mit den vermuteten Änderungen. Dafür gibt es verschiedene Richtungen. Hervorzuheben sind fehlerhafte Mengen, Nachträge sowie Wahl- und Bedarfspositionen. Letztere sind mit Erlass vom 4.1.2007 bei öffentlichen Aufträgen nach VHB nicht mehr zugelassen. Anders im Privatbereich. Es wird auch mit der Bauzeit, den Baustellengemeinkosten oder den Stundenlohnarbeiten spekuliert.
Das Prinzip ist immer das Gleiche. Fehlerhafte und unvollständige Leistungsbeschreibungen werden im Vorfeld erkannt und für die Zukunft ausgenutzt. Zweifelhaft wird es, wenn nur ein Bieter die Informationen hat, welche Teilleistungen wie zur Ausführung kommen. Cent-Preis Positionen, die nicht realisiert werden, drücken das Angebot, aber nicht die Rechnung. Überteuerte Positionen, die mit einer zu geringen Menge ausgeschrieben waren, erhöhen im IST die Rechnung, aber nicht das Angebot im SOLL. Und in der Mischung wird der Preiscocktail brisant.
Angebote mit Spekulationspreisen verzerren den Wettbewerb, erhöhen das wirtschaftliche Risiko und signalisieren Unzuverlässigkeit. Nach VOB/A § 25 sind diese Angebote von der Wertung auszuschließen. Bei Verdacht sind vom Bieter Erklärungen zu verlangen. Der Auftraggeber muss aufklären. Dabei können Cent-Preise sogar kalkulatorisch richtig sein, wenn z.B. Erdmassen von einer anderen Baustelle eingebaut werden. Selbst Minuspreise bei Verwertungsrechten für ausgebaute Stoffe sind plausibel.
Das eigentliche Problem liegt darin, die Preisbildung auf Grund einer Mischkalkulation zu erkennen und nachzuweisen. Mutmaßungen und subjektive Einschätzungen reichen nicht aus.
Bei öffentlichen Aufträgen nach VHB muss die Vergabestelle schlüssig und anhand von Tatsachen den Vergabeausschluss begründen. Hierzu bedarf es geeigneter Werkzeuge.
Mit den Spekulationspreisen ist es wie mit dem Hausschwamm. Seine Nahrung wird durch ein undichtes Dach vorbereitet. Und eine undichte Ausschreibung ist der Nährboden für spekulative Mischkalkulationen.
Eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung nach § 9 VOB/A trocknet den Grund für Spekulationspreise aus. Eine Mischkalkulation macht dann keinen Sinn mehr. Womit sollte man noch mischen?
In alter Frische!
Ihr Klaus Schiller

Kommentare (2)

Gast, anonym aber nicht namenlos: Tja, und wer eben auf dem Amt
23.08.2007 08:53 Uhr
seit Jahren nicht mehr selbst ein Leistungsverzeichnis aufgestellt hat (einschliesslich der Massenermittlung) und den gesamten Prozess der Ausschreibung, Vergabe, Bauleitung und späteren Abrechnung einschliesslich der fälligen Erklärungen in persona dem Bauherrn gegenüber durchgemacht hat, weiss letztlich gar nicht so genau, wie er solche Spekulationen erkennen kann. Erkenntnis und genaues Hinsehen im Preisspiegel sind das A und O. Erkenntnis beruht aber auf Erfahrung ... meine ist, dass die meisten Bauämter wohl zu unbedarft, anscheinend mit dem unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen an die Sache herangehen. Und es gehört natürlich auch Mut dazu, seinen Vorgesetzten und der wiederum den Dienststellenleiter dazu zu bringen, einer Bau-Aktiengesellschaft, die in der Regel über große und erfahrene, nicht zuletzt auch in der Abwehr in diesen Dingen auf das Äusserste geschulten Anwaltskanzleien verfügt, die Stirn zu bieten. Es resultieren dann schnell Millionen an Nachträgen, meist im Erdbau (weil es da gut zu verstecken ist!) z.B. bei Start- und Landebahnen auf einem US Militärflugplatz bei Kaiserslautern ... nothing is perfect, aber geeignete Schulungen unterbleiben anscheinend genauso wie praktische Erfahrungen. Ämter sind allerdings auch so verstrickt in teilweise völlig überzogenen Regularien, dass die Individuen wohl den Widerstand und den klaren Blick aufgegeben zu haben scheinen.

Insofern abschliessend auch mein Verständnis für die Mitarbeiter in den Ämtern. Hier steht nach meiner Ansicht eine dringende Änderung von oben an ...

In diesem Sinne, es bleibt viel zu tun
Ihr HW, Architekt, Annweiler
Axel Kohlgrüber: Erste und wichtigste Voraussetzung
24.08.2007 17:40 Uhr
für einen reibungs- und nachtragsarmen Bauablauf ist ein umfassendes LV. Erfahrung ist bei den meisten Mitarbeitern in den Bauämtern ausreichend vorhanden. Was in viel zu geringem Maße vorhanden ist, ist Fleiß und Motivation. Die meisten der Damen und Herren gehen zu oft den Weg des geringsten Widerstandes. Tust du mir nicht weh tu ich dir nicht weh.

Ich finde es nicht verwerflich, wenn der Unternehmer beim kalkulieren nicht sofort bei jedem entdeckten Fehler Alarm läutet. Wenn ein AG z.B. für 5000 m 300er Kanalrohr nur 500 m³ Füllsand ausschreibt, gibt es eine Massenmehrung. Man muss halt die Kirche im Dorf lassen. Hier wären wir dann bei einem vorherigen Blog Thema, „Ethik und fair play“.
Bei zuviel Alarmgeläut wird die Ausschreibung aufgehoben, wer will das?

Die Zeiten wo bei vielen Preisen 0,01 geschrieben wurde sind doch längst vorbei. Oder gibt es etwa noch AG die so was durchgehen lassen? Wo, bitte schreiben!

Geeignete Werkzeuge zur Aufklärung des Angebots sind m.E. nach ausreichend vorhanden. Sie zu kennen und anzuwenden ist aufwändig. Die EFB Formblätter sollten bei jeder Ausschreibung verlangt bzw. deren Verlangen binnen 7 Tagen angekündigt werden. Dazu ist jeder gehalten, auf Lohn – Geräte – Material – sonstiges – NU seine Teileinheitspreise zu kalkulieren. Leider verzichten viele, vor allem Kommunen, auf dieses sinnvolle Instrument. Wer beim kalkulieren einer ordentlich ausgeschriebenen Leistung stark spekuliert, wird beim Erklären der Einheitspreise abkacken!

Beim aufstellen und verbessern der Regularien wird sicher manchmal über das Ziel hinausgeschossen. Ich muss gerade für die Entsorgung des Grünschnitts eines Baumes mit dem Stammdurchmesser bis 30 cm 1. Die Annahme- und Verwertungsstelle benennen, 2. eine Erklärung beibringen, das der „Abfall“ auch angenommen wird. 3. eine Erklärung mit dem Einverständnis der Annahmestelle, das der AG Auskunft über die Annahmestelle einholen darf !?!

Auch ich habe die Mitarbeiter auf den Amtsstuben schon oft stöhnen gehört, besonders in den Vergabeabteilungen. Aber in Gesprächen wurde auch deutlich das die meisten neuen Regeln und Formulare nicht aus purem Übermut entwickelt werden sondern weil „besonders gerissene Unternehmer“ durch ihr rücksichtsloses Vorgehen die Ausschreibenden zu immer strengeren und aufwändigeren Verfahren zwingen. (Ethik und fair play)
Verständnis für die teilweise sehr lasche Art des öffentlichen Dienstes habe ich jedoch nicht. Mit etwas mehr Fleiß und Angagement wäre hier sehr schnell Ordnung im Laden. Die dringende Änderung von oben kommt ja laufend mit den neuen Regeln und Formularen. Es hapert jedoch an der Umsetzung. Man müsste die Motivation an der Ausschreibe- und Vergabefront steigern.

Trotz aller neuen Kalkulations- und Vergaberegeln, wer mit Herz und Verstand und einer guten Software an die Sache geht verliert nicht so schnell den Überblick. Ich jedenfalls finde die meisten Regeln und Verfahren in Ordnung, sorgen sie doch für mehr Gerechtigkeit. Nur müssten sie auch von allen Vergabestellen angewendet werden. Hier muß der Bund noch stärker Einfluss ausüben.

So, nun ist fast Wochenende, viele Grüsse aus dem schönen Hunsrück an alle Malocher,
Axel Kohlgrüber.
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