Erst kalkulieren, dann spekulieren. Spekulation (von lat. speculari: spähen, beobachten) ist wohlüberlegtes Handeln mit Chancen und Risiken. Im Gegensatz zu "Zocken" oder "Wetten" ohne Kostenkenntnis. Auch die am Bau Beteiligten beobachten den Markt. Baupreise sind Marktpreise. Geprägt durch die Kosten und der Marktanpassung. Und derzeit gehen die Baupreise nach oben.
Spekulieren an sich ist nicht verboten. Durch frühzeitiges Erkennen will man finanzielle Vorteile durch künftige Realisierung erzielen. Deshalb ist Wirtschaft auch Psychologie. Die Spekulation mit der Angebotssumme ist z.B. eine marktstrategische Preisfindung. Durch Verzicht auf Deckungsbeiträge kalkuliert man über die Endsumme Kampfpreise. Dies ist zulässig und kann wettbewerblich begründet sein, um einen Marktzugang oder eine Kapazitätsauslastung zu erreichen.
Auch Mischkalkulation ist als Verfahren der Handelskalkulation zwischen Produkten üblich. Dagegen ist die Spekulation mit Einheitspreisen durch Mischkalkulationen innerhalb eines LV unzulässig. Diese Spekulationspreise führen oft zu abartigen Einheitspreisen. Positionen werden zum Verschiebebahnhof von Kostenanteilen. Teilleistungen werden auf- und abgepreist. Wo und wie die Gemeinkosten kalkuliert wurden, bleibt unklar. Cent-Preise wie 0,01 €/m2, sind dabei ein Anzeichen von Mischkalkulationen. Spekuliert wird in den Positionen der Teilleistungen mit den vermuteten Änderungen. Dafür gibt es verschiedene Richtungen. Hervorzuheben sind fehlerhafte Mengen, Nachträge sowie Wahl- und Bedarfspositionen. Letztere sind mit Erlass vom 4.1.2007 bei öffentlichen Aufträgen nach VHB nicht mehr zugelassen. Anders im Privatbereich. Es wird auch mit der Bauzeit, den Baustellengemeinkosten oder den Stundenlohnarbeiten spekuliert.
Das Prinzip ist immer das Gleiche. Fehlerhafte und unvollständige Leistungsbeschreibungen werden im Vorfeld erkannt und für die Zukunft ausgenutzt. Zweifelhaft wird es, wenn nur ein Bieter die Informationen hat, welche Teilleistungen wie zur Ausführung kommen. Cent-Preis Positionen, die nicht realisiert werden, drücken das Angebot, aber nicht die Rechnung. Überteuerte Positionen, die mit einer zu geringen Menge ausgeschrieben waren, erhöhen im IST die Rechnung, aber nicht das Angebot im SOLL. Und in der Mischung wird der Preiscocktail brisant.
Angebote mit Spekulationspreisen verzerren den Wettbewerb, erhöhen das wirtschaftliche Risiko und signalisieren Unzuverlässigkeit. Nach VOB/A § 25 sind diese Angebote von der Wertung auszuschließen. Bei Verdacht sind vom Bieter Erklärungen zu verlangen. Der Auftraggeber muss aufklären. Dabei können Cent-Preise sogar kalkulatorisch richtig sein, wenn z.B. Erdmassen von einer anderen Baustelle eingebaut werden. Selbst Minuspreise bei Verwertungsrechten für ausgebaute Stoffe sind plausibel.
Das eigentliche Problem liegt darin, die Preisbildung auf Grund einer Mischkalkulation zu erkennen und nachzuweisen. Mutmaßungen und subjektive Einschätzungen reichen nicht aus.
Bei öffentlichen Aufträgen nach VHB muss die Vergabestelle schlüssig und anhand von Tatsachen den Vergabeausschluss begründen. Hierzu bedarf es geeigneter Werkzeuge.
Mit den Spekulationspreisen ist es wie mit dem Hausschwamm. Seine Nahrung wird durch ein undichtes Dach vorbereitet. Und eine undichte Ausschreibung ist der Nährboden für spekulative Mischkalkulationen.
Eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung nach § 9 VOB/A trocknet den Grund für Spekulationspreise aus. Eine Mischkalkulation macht dann keinen Sinn mehr. Womit sollte man noch mischen?
In alter Frische!