Kalkulation und Ethik - Fairplay bei Angeboten und Nachträgen

Kalkulation und Ethik - Fairplay bei Angeboten und Nachträgen
Schiller-Blog - Der Schillernde Blick auf die Baubranche

Kalkulation und Ethik - Fairplay bei Angeboten und Nachträgen

04.06.2007
Der brutale Wettbewerb in der Bauwirtschaft der letzten Jahre war auch verbunden mit einem Werteverfall bei der Kalkulationsarbeit für die Angebote. Submissions-Spannen von 100 bis 280 % belegen dies. Ein Verfall der Sitten und Gebräuche wird beklagt. Wo man früher zweimal im Jahr den Rechtsanwalt konsultierte, beschäftigt man jetzt 2 Rechtsanwälte im Jahr. Die Partner am Bau liegen oft im Streit.
Die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots nach § 25, Nr. 3, Abs. 3 in der VOB/A ist meistens verbunden mit der Annahme des billigsten Angebots. Und hinter den billigsten Angeboten liegen zuweilen dunkle Geheimnisse.
Das Baugeschehen ist geprägt durch die Zusammenarbeit der am Bau Beteiligten und durch unvollständige Ausschreibungen. Bau-Soll und Bau-Ist laufen oft auseinander. Verträge sind fortzuschreiben. Dadurch können häufig Angebote durch Nachträge subventioniert werden. Man muss Handeln. Und dies sollte durch ein Verhalten gesteuert werden, welches durch innere Werte und Prinzipien und nicht durch äußere Drohungen und Verlockungen bestimmt wird.
Was soll man tun? Diese Frage ist nach Kant mit der Ethik zu beantworten. Es ist mit Vernunft und Moral zu Handeln. Vernunft resultiert aus Wissen, Erfahrung und Sachverstand. Moral heißt: Man sollte seine Versprechen halten, nicht lügen und nicht betrügen.
Aktuell wird bei einigen Bauverbänden das Thema Wertemanagementsystem diskutiert. Beim Bayerischen Bauindustrieverband hat man sogar einen Verein "Ethik-Management-Sytem" unter dem Leitmotiv: "Integrität heißt Gesetzestreue plus Fairness" gegründet. Ein Ziel ist die Vertrauens- und Partnerschaftskultur in der Bauwirtschaft zu fördern.
Analog sollte es auch Verhaltensstandards bei der Angebotskalkulation und beim Nachtragsmanagement geben. Bauen ist Vertrauenssache. Und die beginnt bereits mit dem Angebot. Ethik bedeutet mehr Sachlichkeit bei der Kalkulation. Sie beginnt dort, wo überhaupt ehrlich mit Wissen und Erfahrung kalkuliert wird. Die Kalkulation ist eine Hilfe für das Finden von Entscheidungen. Gefragt sind dabei mehr Offenheit, Fairness und Vertrauenswürdigkeit.
Eine Kalkulationsethik könnte Spekulationsangebote und -preise reduzieren helfen. Sie sollte einer besseren Partnerschaft zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, zwischen Ausschreiben und Bieten dienen. Hierzu gehört auch der Umgang mit den EFB-Preis Formblättern. Ethik beim Bieter unterstützt die Präqualifizierungen.
Das gilt gleichermaßen auch für das Nachtragsmanagement. Bevor ein Nachtrag evtl. abzulehnen ist, sollte der Fairness halber vorher eine fachliche Prüfung und anschließende Wertung erfolgen.
Die Ethik als Lehre von den Verhaltensregeln der Menschen ist auch für Kalkulatoren wichtig. Die Kalkulationsethik ist ein Fairplay im Umgang mit Kosten und Leistungen. Sie ist eine Voraussetzung für eine nachhaltige Bauauftragsrechnung. Sie stellt ein Klima des gegenseitigen Vertrauens her und stärkt damit letztendlich das Unternehmen im Markt.
In alter Frische!
Ihr Klaus Schiller

Kommentare (4)

I. Osterkamp-Bolte: Dem Inhalt des Beitrags kann ich nur zustimmen.
07.06.2007 10:01 Uhr
Dem Inhalt des Beitrags kann ich nur zustimmen. In großen Firmen sitzt neben dem Kalkulator ein Experte für die Lücken im LV. Je mehr Lücken, desto größer der Reibach! Dabei ist der Bieter gem. VOB doch verpflichtet, bei solch lückenhaften Ausschreibungen schon vor der Submission aktiv zu werden, indem er den festgestellten Mangel im Text gegenüber dem Ausschreibenden benennt und diesem Gelegenheit zur Nachbesserung des LV gibt. Aber weit gefehlt! Man lebt von den Nachträgen und die schreibt man mit der Gabel. Weil alles zügig weiterlaufen soll, wird erstmal mündlich bauftragt, was nachher zu Streit führen muss. (Schade nur, dass man sich immer zweimal im Leben trifft!) Fairness, Anstand & Moral - ade!
Gast: Den Feststellungen ist zuzustimmen.
22.06.2007 08:27 Uhr
Den Feststellungen ist zuzustimmen. Doch was sind die Ursachen? Ist es tatsächlich nur die unbefriedigende Marktsituation, ein Leistungsüberangebot, das dem fairen Verhalten entgegensteht?
Rüdiger Wagner: Endlich bringt es mal jemand auf den Punkt:
22.06.2007 12:55 Uhr
Bauen ist Vertrauenssache.
Solange jedoch Bauherrn als erste Maßnahme eine Rechtsschutzversicherung abschließen und einen Rechtsanwalt konsultieren, um für Streitigkeiten mit den Handwerkern gewappnet zu sein und im Gegenzug Handwerker Ausschreibungen zunächst auf Lücken im Leistungsverzeichnis und damit verbundene Nachträge (natürlich erst nach Vertragsabschluss zu stellen) überprüfen - Fortbildungsseminare zu diesem Thema werden von Berufsverbänden und sonstigen Organisationen im Überfluss angeboten - kann sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern wohl kaum entwickeln. (Kann denn hier überhaupt noch von Vertragspartnern gesprochen werden oder sollte man nicht gleich den Begriff "-gegner" verwenden, wie er ja dann später auch vor Gericht gebraucht wird.)

Ethik, Moral, Fairplay. Begriffe mit denen offenbar in unserer Gesellschaft kaum noch jemand etwas anfangen kann (mag) - warum also ausgerechnet in der Baubranche. Umdenken ist angebracht. Typisch für uns Deutsche: Wir gründen erstmal einen Ausschuss (Verein) und diskutieren das Thema mal ausführlich. Sicher lobenswert, aber besser noch als dikutieren ist praktizieren und die Einsicht: Erfolg ist nicht nur in EURO messbar.
Axel Kohlgrüber: Es war einmal
23.06.2007 14:58 Uhr
Es war einmal ein kleiner Bautechniker, Nichtraucher, Nichttrinker, Vater von vier Kindern, ein anständiger Mensch. Ethik und Fairplay war für ihn selbsverständlich. Als Angestellter im öffentlichen Dienst hatte er einen sicheren ruhigen Job. Immer wieder wunderte er sich über das manchmal geradezu feindseelige Verhalten der Bauunternehmer mit denen er und seine Kollegen es zu tun hatten. Da war z.B. einer dabei, der brüllte immer gleich los. Da sagte sich der kleine Bautechniker: Wie kann man sich nur so gebärden, so will ich niemals werden.

Der kleine Bautechniker war fleißig und clever, manchmal zu fleißig und zu clever für einige seiner Kollegen und Vorgesetzten. So kam es das er kündigte und sich als Tiefbauunternehmer selbstständig machte. Er kannte sich mit AVA, VOB, BGB, GAEB, REB, EFB usw. gut aus, also nahm er an Ausschreibungen teil. Ethik und Fairplay war für ihn immer noch selbsverständlich. Was hat er gerödelt und malocht, jedem wurde es recht gemacht. Er stellte Leute ein, nur Facharbeiter, bezahlte jeden über Tarif. Bald war er dafür bekannt mit wenigen Leuten auch grössere Baumaßnahmen bestens zu bewältigen.

Dann kam der erste Kontakt mit einem Verein der davon überzeugt ist das alle Arbeitgeber des Bauhauptgewerbes Halsabschneider sind und vor denen es die armen Bauarbeitnehmer zu beschützen gilt. So sehr er auch beteuerte er behandle und bezahle seine Leute gut und brauche die nicht, er wurde gezwungen dem Verein beizutreten. Als er erfuhr, welcher riesige Apparat da seine Fangarme ausgestreckt hat und welch riesige Summen da im Spiel sind und wieviel Angestellte da für wenig Arbeit viel Geld verdienen kamen ihm immer öfter böse Gedanken. Trotzdem waren Ethik und Fairplay immer noch seine Leitgedanken.

Mit den Jahren wurde der Wettbewerb immer härter. Die Qualität der Ausschreibungen nahm immer mehr ab, die Quantität der Regeln und Vorschriften nahm immer mehr zu. Obwohl die Auftraggeber selber nicht mehr durchblickten taten sie doch so.

Trotzdem versuchte der kleine Bautechniker immer vertrauensvoll und partnerschaftlich mit seinen Auftraggebern zusammen zu arbeiten. Manch einer verstand das jedoch falsch und machte dem kleinen Bautechniker unzweideutige Angebote.

Der kleine Bautechniker bemekte das er sich veränderte. Er erwischte sich immer öfter bei bösen Gedanken wenn es um die Arbeit ging. Auch seiner Ehefrau fiel auf das sein Umgang mit den Auftraggebern immer rauher wurde. Manchmal brüllte er sogar. Was ist mit Ethik und Moral, wo bleibt die Vertrauens- und Partnerschaftskultur, dacht er. Gewann er eine Submission, war der Auftrag noch lange nicht sicher. Oft ließ man ihn mehrere Monate im Ungewissen und gab dann den Auftrag doch einem anderen. " Das kommt alles von oben" bekam der kleine Bautechniker immer öfters zu hören.

Der kleine Bautechniker hatte nie jemanden betrogen, villeicht manchmal ein bischen gelogen, die meisten guten Gedanken sind ihm längst verflogen.

Ein Verfall der Sitten und Gebräuche, die im öffentlichen Dienst halten sich die Bäuche.

Wenn einem so viel Gutes wird beschert, das ist schon einen fetten Nachtrag wert.
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