Das intuitive und das rationale Kalkulieren von Baupreisen

Das intuitive und das rationale Kalkulieren von Baupreisen
Schiller-Blog - Der Schillernde Blick auf die Baubranche

Das intuitive und das rationale Kalkulieren von Baupreisen

01.04.2016
In den Baupreisen schwingt eine geschäftliche Sehnsucht, die durch die Bauwirklichkeit der Kosten und des Marktes geerdet wird. Im Verlangen nach weniger oder mehr Geld pendeln die Baupreise im Magnetfeld von Auftraggeber und Auftragnehmer. Beide wollen die Baupreise verstehen. Sei es durch das äußere Vergleichen von Baupreisen in Form von Preisspiegeln oder durch das Ermitteln der Baupreise über deren innere Bestandteile. Darin liegt auch ein Bedürfnis nach Kalkulationswissen. Die Basis der Baupreise ist nun einmal die Kostenrealität. Sei es für den Gewinn oder den Verlust. Die Baupreise sind das Ergebnis einer gedanklichen Arbeit, indem zuerst kalkuliert und dann spekuliert wird.
Die Kalkulation der Baupreise ist eine gedankliche Vorwegnahme des Bauens. Kalkulieren ist eine Art menschlicher und maschineller Informationsverarbeitung, wobei technologische Arbeiten für bautechnische Leistungen am räumlichen Bauteilgefüge einer baulichen Anlage kaufmännisch zu beurteilen sind. Kalkulieren ist damit eine multidimensionale Denkaufgabe in der Verknüpfung von Wissen und Erfahrung. Kalkulieren ist Denken und das Denken ist dual, nämlich intuitiv und rational. Damit ist die Kalkulation auch Psychologie, weil wir mit Gefühl und Verstand mentalen Mustern folgen, die uns systematisch irreführen. In Analogie zu Daniel Kahneman:„Thinking,fast and slow“ gibt es aus meiner Sicht auch beim Kalkulieren ein „Schnelles und langsames Denken“ bzw. eine „Zwei-System-Kalkulation“.
Das „System 1“ ist das unbewusste Denken in Form der Intuition. Diese Art von Bauchgefühl ist vom Wesen her „nicht mehr und nicht weniger als Wiedererkennen“. Man schließt von etwas Bekanntem auf das Unbekannte. Aus der Erfahrung gibt es gedankliche Vorlagen, die wir auch beim Kalkulieren schnell nutzen. Solche Denkabkürzungen sind z.B. Heuristiken in Form von Faustformeln oder Kennwerten. Aber auch vertraute Muster, wie z.B. Mutter-LV mit Festpreisen, die schnell ein „kalkulatorisches Know-How“ liefern. Man folgert von dem einen Ganzen auf ein anderes Ganzes. Dabei lauern die „Illusion der Selbstüberschätzung“ und die Gefahren von vielfältigen Verzerrungen, „warum Erfahrung manchmal dumm macht“.
Das „System 2“ ist das bewusste Denken mit den „Regeln der Rationalität“. Diese Art von Verstand ist ein Berechnen von Ursache-Wirkungs-Ketten. In der Psychologie nennt man dies Attribution. In der Kalkulation sind Attribute die Mengen und Eigenschaften, welche die Kosten verursachen. Die Leistungsbeschreibungen mit ihren Merkmalen und Ausprägungen bewirken die Kosten. Ändern sich die Qualitäten der Bauleistungen, so verändern sich damit die Einzelkosten der Teilleistungen und die Baupreise. Sehr deutlich zu erleben ist das in der Anwendung der attributierten Leistungstexte von STLB-Bau mit DBD-Kostenansätzen. Mit der IT wird das rationale Kalkulieren maschinell beschleunigt. Abertausende Mengen-Wert-Gerüste können so rational aktiviert und über individuelle, zusammenfassende Darstellungen (Framing) zur intuitiven Bewertung vom Menschen qualifiziert werden.
Sinnhaft zum lateinischen Sprichwort:„Sapere aude - Wage es, weise zu sein!“ formulierte Kant den Leitspruch der Aufklärung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Und „höre dabei auch auf Deine Gefühle“, würde ich ergänzen. Im Dialog von Mensch und IT entsteht derzeit mit der Vernetzung von digitalen Bauwerksmodellen (BIM) und Leistungsverzeichnissen eine „Zwei-System-Kalkulation“, worin sich die Vorteile des intuitiven und des rationalen Kalkulierens durch „kalkulatorische Weisheit“ vereinen lassen.
In alter Frische
Ihr Klaus Schiller

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