Zur Erinnerung an Dr. Klaus Schiller
Klaus Schiller wurde 1955 im Kurort Oberwiesenthal geboren. Der Vater war gelernter Bäcker und die Mutter Damenschneiderin. So wuchs er im erzgebirgischen Dorf Hammerunterwiesenthal auf, besuchte ab 1961 die dortige Dorfschule und war einer von 13 Schülern. Seine Liebe zum heimatlichen Erzgebirge und deren Menschen wurde in dieser für ihn unbekümmerten Kinderzeit geprägt.
Im April 1964 zog die Familie nach Dresden. In der Schule gehörte Klaus Schiller zu den Besten seiner Klasse. Er hatte Freude am selbstständigen Lernen und wurde in den „Club junger Mathematiker“ delegiert. Er lernte das Leben in einem selbständigen Handwerksbetrieb kennen.
Von 1969 bis 1973 besuchte er die Erweiterte Oberschule, die er mit dem Abitur an der EOS „Romain Rolland“ mit „sehr gut“ abschloss. Seine Liebe galt den Naturwissenschaften und er wurde jährlich von seiner Schule zur Mathematikolympiade delegiert. Sein großes Interesse an Zahlen und an der Mathematik prägte seine duale Denkweise und seine Begeisterung für die „verborgenen Zusammenhänge“, von denen er selbst oft sprach.
Klaus Schiller wollte an der TU Dresden Bauingenieurwesen studieren. Dies wurde ihm verwehrt und so hat er sich ersatzweise für die „Ingenieurökonomie der Bauindustrie“ entschieden, was sich später als Glücksfall erwies. „Es gibt keinen Schaden ohne Nutzen“. Diese Erfahrung hat ihn fortan beflügelt und er hat in seinem weiteren Berufsleben dafür optimistisch oft den Begriff „Kollateralnutzen“ gebraucht.
Zwischen dem Abitur und dem Studium musste er aber noch seinen 18-monatigen Wehrdienst als Militärkraftfahrer absolvieren. Sein Studium von 1975 bis 1979 hat er als Jahrgangsbester mit dem Prädikat „ausgezeichnet“ beendet. Sodann wurde er von 1979 bis 1984 als wissenschaftlicher Assistent an der TU Dresden eingestellt. In dieser Zeit promovierte er bereits 1981 und verteidigte seine Dissertation A mit dem Prädikat „summa cum laude“.
Von 1981-1982 absolvierte er ein 10-monatige Zusatzstudium an der Kiewer Bauhochschule. Er war in der Lehre, Forschung und Weiterbildung tätig, wobei ihm insbesondere die Anwendung der Kybernetik und EDV für bauwirtschaftliche Anwendungen begeisterte.
Von 1984 bis 1986 erhielt Dr. Klaus Schiller eine B-Aspirantur an der TU Dresden mit dem Ziel einer Habilitation, die er 1986 erfolgreich mit seiner Dissertation B verteidigte. Nach der B-Aspirantur wurde er in die ZBE „Landbau Meißen“ delegiert, um ein Anwenderzentrum für die Entwicklung und Einführung von rechnergestützten Lösungen in der Bauprojektierung und -ausführung zu leiten. So entstanden Softwarelösungen, die er über die Bezirksakademie Bauwesen schulte und einführte. Zudem hielt er als Dozent an der TU Dresden weiterhin Vorlesungen, betreute wissenschaftliche Arbeiten und wurde in die Bauakademie berufen.
Dann kam 1989 die gesellschaftliche Wende.
Alles veränderte sich. Im März 1990 endete die Delegierung an die ZBE „Landbau Meißen“ und Dr. Schiller wurde mit der Leitung eines Informatiklabors an der TU Dresden betraut. Diese Arbeit hatte mit wissenschaftlicher Kreativität nichts zu tun und er widmete sich 1990/91 mit Begeisterung lieber der Schulung von westlichen IT-Lösungen für die Kostenplanung und Baukalkulation.
Mit der Einführung der Marktwirtschaft entstanden in den bauausführenden Betrieben der neuen Bundesländer eine Vielzahl von Herausforderungen. Ein Schwerpunkt war die Kalkulation von Angeboten im Rahmen des Wettbewerbs um Bauaufträge.
In dieser aufregenden Zeit hat er monatelang Lehrgänge zur Weiterbildung durchgeführt.
10 Tage vor der Währungsunion hat er in Sömmerda die Probit-GmbH mitgegründet, heute f:data GmbH, über die Bausoftware verkauft wurde.
Die intensive Auseinandersetzung mit der aufwendigen Arbeit der Baukalkulation machte Dr. Schiller deutlich, dass diese einer dringenden Rationalisierung bedurfte. In der Analogie zur Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie von Manfred von Ardenne kam ihm im Oktober 1991 aus dem Vergleich seiner bisherigen Arbeit und den diesbezüglichen West-Technologien die zündende Idee und Erfindung der Daten-Mehrschritt-Synthese. Der Erfindergeist dahinter besagte, dass man ein komplexes Problem lösen kann, indem man dieses in mehrere Schritte zerlegt und beim Zusammenfügen verschiedene Wirkprinzipien miteinander verkettet. Diese Leitidee benutzte er für die Baukalkulation. Sie bestand darin, das Kalkulationswissen für ausformulierte Leistungspositionen nicht aufwendig datentechnisch zu verwalten, sondern durch Daten-Mehrschritt-Synthese die Aggregation von Textteilen zur Leistungsposition mit Kalkulationswissen automatisch zu verbinden.
Dies war die Geburtsstunde der Dynamischen BauDaten (DBD), die ihn in seiner zweiten Lebenshälfte begeisternd beschäftigte.
Seine Ideen und die ersten Entwicklungsergebnisse, die er mit großer Euphorie präsentierte, waren dabei so revolutionär und deren Erfolg so unwahrscheinlich, dass mancher Zuhörer an der Realisierbarkeit zweifelte. Diese Zweifel nahm Klaus Schiller als Ansporn. Beherzt hat er zusammen mit seinen Partnern 1991 im ehemaligen Wohnzimmer seiner Eltern mit der Digitalisierung von elektronischen Kalkulations- und Bauleistungsdaten begonnen.
Zur Leistungsbeschreibung als Grundlage der Kalkulation hat Dr. Schiller zunächst das existierende Textsystem „Standard Leistungsbuch“ (kurz StLB) genutzt.
Die Datenmehrschrittsynthese auf Basis des Standardleistungsbuches (StLB) demonstrierte er erstmals im Oktober 1991 vor Vertretern des Gemeinsamen Ausschusses Elektronik im Bauwesen (kurz GAEB) in Bonn.
Überzeugt von der Idee kündigte er sein Arbeitsverhältnis mit der TU Dresden und gründete mit Partnern im Januar 1992 die Dr. Schiller & Partner GmbH -Dynamische BauDaten-.
Bereits im März 1992 präsentierte er auf der Hannovermesse CeBIT die erste Applikation. Nach dieser Euphorie begann die Ernüchterung. Der wirtschaftliche Erfolg war anfangs mäßig. Die bis Mitte der 1990er Jahre üblichen DOS-Programme konnten die Dynamischen BauDaten nicht voll verarbeiten. Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten gab es eine Aufbruchstimmung. Der feste Glaube an die eigenen Kräfte und Ideen versetzt Berge. 1994 begann mit Microsoft-Windows in der Bausoftwarebranche ein Umbruch. Durch die Entwicklung eines eigenen Programmes DBD-Baukalkulation unter Microsoft-Windows wurde gleichzeitig ein intelligentes Textsystem „DBD-Texte“ entwickelt.
Seine Idee war ein bausemantisches Ordnungssystem, womit man rechnen kann. Ein revolutionärer Ansatz. Mit dieser dynamischen Datenbanktechnologie wurde Dr. Schiller & Partner zum fachlichen Sieger einer bundesweiten Ausschreibung zur Umsetzung eines neuen Standardleistungsbuches „STLB-Bau – Dynamische BauDaten“. Damit verbunden entwickelte sich eine intensive Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN). 1996 wurde STLB-Bau Dynamische BauDaten als nationaler Standard eingeführt. Nach den ersten schmerzlichen Jahren kamen die Erfolge.
Die Inspiration von Dr. Schiller war das eine, aber das andere war sein Fleiß, und der seiner Partner und Mitarbeiter, um daraus wettbewerbsfähige Produkte zu vermarkten. Durch „stochastisches Tüfteln mit System“ sind in der Kombination seines visionären Intellekts mit dem Fleiß und der Fachkompetenz seiner Partner und Mitarbeiter die Dynamischen BauDaten technologisch und inhaltlich in den ersten Jahren schnell gewachsen.
So half ihm seine interdisziplinäre Denk- und Arbeitsweise, die er an der TU Dresden erlebte und die er als Grundprinzip seiner Firma umsetzte. Er war stets davon überzeugt, dass nur im Schmelztiegel der Disziplinen neue Innovationen entstehen. So sammelte er auch Mitarbeiter, die er gern im Widerstreit der Denkweisen moderierte. Für ihn war die Mannschaft der Star. Klaus Schiller hatte eine rege Fantasie, die zumeist der Zeit voraus war. Als Erfinder der Dynamischen Baudaten sah er deren Wirkungsmächtigkeit und dies war seine geistige Droge, womit er in wortgewaltigen Reden die Menschen begeistern konnte.
Dr. Klaus Schiller war Wissenschaftler und Unternehmer und so hat er die Firmen nicht nur wissenschaftlich inspiriert, sondern auch kaufmännisch geführt. In den 90-iger Jahren hat er hierzu den Vertrieb aufgebaut und mit Begeisterung oft an 4 Tagen pro Woche Schulungen und Präsentationen durchgeführt.
Ab 2000 kamen die Firmen in ein solides Fahrwasser.
Mit dem Einzug des Internets begann f:data, sich technologisch in der Online-Welt zu etablieren. Mit dieser Technologie startete im Jahr 2000 auch STLB-Bau Online als erstes DBD-Onlineprodukt. Zum Vertrieb von STLB-Bau Online initiierte Klaus Schiller gemeinsam mit DIN die DIN-Bauportal GmbH - Dynamische BauDaten, die er 20 Jahre als Geschäftsführer leitete.
Die „Gewitterwolken am Horizont“ waren zu der Zeit noch nicht sichtbar.
Es kam die Zeit, wo das Bauwesen eine schwere Krise erlebte. Zahlreiche Baufirmen gingen in die Insolvenz. Eine schwere Zeit. Trotzdem glaubte Klaus Schiller an die entwickelten Technologien und die digitale Vernetzung der Dynamischen BauDaten mit den Geschäftsprozessen.
Für die Erfindung der Dynamischen Baudaten wurde er 2002 mit der Konrad-Zuse-Medaille zur Anwendung und Fortentwicklung der elektronischen Datenverarbeitung im Bauwesen vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) ausgezeichnet. Zudem wurde er Ehrenmitglied im EDV-Arbeitskreis der Bauprofessoren, wo er jährlich referierte und die Einführung der Dynamischen Baudaten in die Lehre organisierte. Klaus Schiller liebte die Analogien als Herz unseres Denkens und so hat er seine Vorträge zum rechnergestützten Kalkulieren mit Freude und Witz gewürzt. Dr. Schiller hat für seine DBD-Produkte gebrannt und konnte mit Leidenschaft andere damit anzünden. In der Höchsthalle waren es einmal sogar 2000 Zuhörer.
Auch in den Folgejahren wurden viele Ideen mit einer wachsenden Mitarbeiterzahl in neue innovative Produkte umgesetzt. So entstand 2004 im Internet ein erfolgreiches Baupreislexikon. Die Dynamischen BauDaten wurden stetig weiterentwickelt, um verschiedene Zusatzmodule ergänzt und in verschiedenen Formen auf dem Markt etabliert.
2006 folgte DBD-Kostenkalkül, womit Gebäudemodelle erzeugt und kalkulierbar werden. Im Jahr 2008 aktivierte Dr. Schiller mit DIN baunormenlexikon.de mit dem Ziel eine intelligente Vernetzung der DIN-Normeninhalte mit Dynamischen Baudaten zu erreichen. Die Idee von Bauprofessor.de startete dann im Jahr 2010 mit nunmehr ca. 250.000 registrierten Nutzern.
In den letzten 15 Jahren hat sich Klaus Schiller mit einem Mammutprojekt beschäftigt. Die BIM-Epoche hatte begonnen. Den ersten Impuls für die geistige BIM-Atmosphäre von DBD gab ihm Dr. Obermeyer nach meinem Fachvortag auf dem Konrad-Zuse-Symposium im Oktober 2002 in München. Seine Aussage: „Ihr müsst die Dynamischen BauDaten mit dem modellbasierten Standard IFC verknüpfen“ setzte ein strategisches Denken in Gang. Durch DBD-Kostenkalkül und durch die Mitarbeit in Arbeitskreisen bei DIN, GAEB, VDI und buildingSMART gab es schließlich die Erkenntnis, dass die Verbindung zwischen der internationalen Norm zum digitalen Bauwerksinformationsmodell und den Dynamischen Baudaten am besten durch eine “BIM-Klassifikation nach STLB-Bau" hergestellt werden kann. Dr. Schiller initiierte hierfür 2014 bei DIN die Erstellung der DIN SPEC 91400 und setzte in der Firmengruppe die Segel zur Entwicklung von DBD-BIM als Brücke zwischen Bauwerksinformationsmodell und Leistungsverzeichnis.
Damit einher ging große Anerkennung durch Anwender, Verbände und Organisationen. Die Konrad Zuse Stadt Hoyerswerda verlieh Dr. Schiller im Jahr 2015 mit der Konrad-Zuse-Plakette ihre höchste Auszeichnung, mit der Begründung, dass „er nicht nur das Erbe des Erbauers des ersten frei programmierbaren Computers der Welt ehrt, sondern mehr noch, dieses sogar weiterentwickelt“.
2016 initiierte Dr. Schiller die DIN SPEC 91350 mit dem BIM-LV-Container als verlinkten Datenaustausch mit Leistungsverzeichnissen als GAEB-DA-XML und Bauwerksmodellen als IFC. Unter Erhalt des eingeführten GAEB-Datenaustausches für Leistungsverzeichnisse sollte die Verbindung zu BIM im Datenaustausch als Standard ermöglicht werden. Ein großer Teil der AVA-Softwarehäuser setzte diesen Standard zeitnah in ihren Lösungen um.
In der Folge entstanden weitere Softwarelösungen für die BIM-Anwendung der Dynamischen BauDaten. Dr. Schiller hat diese Entwicklungen mit visionärem Blick und mit Freude über das Entstandene bis zuletzt begleitet.
Am 29.06.2024 verstarb Dr. Klaus Schiller im Alter von 69 Jahren. Seine Idee der Dynamische BauDaten lebt in der Vielfalt der DBD-Produkte weiter.
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